EHWS Andalusien, Etappe 12: Ronda - Arriate
Rund elf Monate nach Beendigung meiner ersten Andalusien-Wanderung kehrte ich nach Ronda zurück. Das Begonnene fortzusetzen war mein Ziel, aber zuerst wollte ich Versäumtes nachholen. So beschrieb mein Weg zunächst eine Schlaufe nach Süden, bevor ich die Fährte des GR7 wieder aufnahm: Ich stieg zur Schlucht (dem «Tajo») unter dem imposanten Puente Nuevo hinunter und umging die Stadt dem Fuss des Felsplateaus entlang, auf dem sie thront.
Wanderung in zwei Teilen
Meine Wanderung bestand somit aus zwei Teilen: einem lokalen Wanderweg (dem «Molinos del Tajo», nach ehemaligen Mühlen benannt) und einer Kurzetappe auf dem GR7. Auf dem Fernwanderweg kamen als nächste Etappenziele entweder Arriate oder Cuevas del Becerro in Frage. Nach Cuevas schien es mir jedoch zu weit – um so mehr, als ich die Wanderung nach einer unfallbedingten Rekonvaleszenz nicht eben durchtrainiert antrat. Die nur acht Kilometer lange Strecke nach Arriate andererseits fand ich eher zu kurz, aber in Kombination mit der Molinos-Schlaufe schien sie mir eine ordentliche Tageswanderung zu ergeben.
Von meinem im Norden der Stadt gelegenen Hotel aus startete ich mit einem kleinen Stadt- und Panoramabummel durchs Zentrum und über die Aussichtsterrasse hinter der Stierkampfarena, wo sich herrliche Weitsichten zu den Gebirgen im Süden und Westen boten. Im Unterschied zum letzten Jahr, als ich Ronda bei wolkenverhangenem Himmel und strömendem Regen verliess, herrschte heute Morgen strahlender Sonnenschein. Noch war es relativ ruhig; als ich beim Puente Nuevo ankam, entluden sich dort gerade die ersten Reisecars. Über die Brücke, von der ich einen Blick in den 120 Meter tiefen Tajo hinunter warf, erreichte ich die Altstadt, in der ich bis zu der lauschigen, von Bäumen umkränzten Plaza María Auxiliadora ging; von dort zweigte ein gepflästertes Weglein zwischen der Häusermauer hindurch ab.
In der Enge des Tajo
Sofort beginnt es im Zickzack an dem hier nicht ganz vertikalen und noch vollständig im Schatten liegenden Westhang abwärts zu steigen. Inzwischen ist es 10 Uhr, auch andere Leute sind schon unterwegs. Von einer der Serpentinen steigt ein lehmiger Pfad zum Tajo hinab. Schon bald höre ich das Rauschen des Wasserfalls, mit dem der Rio Guadalevín aus der Schlucht herausstürzt.
Ronda - Arriate |
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Etappe | EHWS Andalusien, Nr. 12 |
(Fernwanderprojekt EHWS) | |
Länge / Zeit | 12,3 km / 4 h 40' |
Auf- / Abwärts | 266 m / 400 m |
Höchster Punkt | 730 m (Ronda) |
Tiefster Punkt | 522 m (Huerta de la Cruz) |
Fernwanderwege | E4 (GR7) |
Durchgeführt | Mittwoch, 4. Oktober 2017 |
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Am Fuss der mächtigen Brückenpfeiler angekommen, schaue ich senkrecht zur Stadt hinauf und andererseits in die Enge der Schlucht hinein. Durch diese zwängen sich neben dem schmalen dunkelgrünen Flüsschen auch ein kleiner Kanal – er wurde früher wohl zum Betreiben der Mühlen genutzt – und ein enger Pfad, auf dem man sich stellenweise unter den überhängenden Fels ducken muss. An der schmalsten Stelle endet der Pfad und zwingt zur Umkehr. Plötzlich ein anschwellendes Rauschen: Nein, es ist kein heranstürzendes Hochwasser, sondern ein grosser Vogelschwarm, der hoch oben zwischen den Felsen hin und her wogt und die Schlucht zur Echohalle macht!
Von der abenteuerlichen Flussquerung ...
Zurück gehe ich zunächst wieder zum Weg hinauf, dann steige ich an fotografierenden Touristen vorbei in die Ebene hinunter. Der Weg ist nun ein Fahrweg, der in einigem Abstand (und deshalb sonnenbeschienen) parallel zur Felswand verläuft. Grossartig die Sicht zur Brücke und zur Stadt hinauf! Ich gelange zu einer Gruppe von teils agrotouristisch genutzten Gebäuden – eines davon heisst «Albergo Los Molinos» – und einem Elektrizitätswerk; letzteres liegt wieder im Schatten direkt am Guadalevín, der sich hier nach seinem Wasserfall wieder beruhigt hat. Der Weg führt zwischen den Gebäuden hindurch vom Fluss weg; ich sollte jedoch – so schliesse ich aus der Wegbeschreibung – auf die andere Seite hinüber. Nach einer längeren Suche im wilden Ufergebüsch stosse ich auf eine furtähnliche seichte Stelle. Ich setze den Rucksack ab und erkläre einem ebenfalls den Weg suchenden englischen Wanderpaar, dass ich die Situation auf der andern Seite erst mal erkunden will. In drei Schritten bin ich drüben; etwas oberhalb der Böschung finde ich einen Pfad, der steil hinaufführt, und etwas weiter oben sogar eine Markierung, die ich dem Molinos-Weg zuzuordnen wage. Also zur Furt zurück und den Rucksack geholt! Die Engländer sind da freilich verschwunden, vielleicht war ihnen die Sache zu abenteuerlich. Vom Fels oben, dem der Pfad weiter entlang führt, sehe ich die Beiden später auf dem sich durch die besonnte Westseite des Flusses schlängelnden Fahrweg dahinschreiten. Nun bin ich allein, Touristen gibt’s hier keine mehr. Nach und nach gewinne ich weiter an Höhe; zugleich entferne ich mich von der Felswand und verliere dadurch den Schutz ihres Schattens. Den Rand des Plateaus und damit den Weg, auf dem ich im Vorjahr nach Ronda gekommen bin, erreiche ich so in der gleissenden Mittagssonne. Die Schlaufe ist damit geschlossen, die erste Hälfte meiner Tageswanderung geschafft.
... in den Strassenlärm
Die zweite Hälfte findet dann fast vollständig in der Sonne, hauptsächlich auf Asphalt und ohne jedes Abenteuer statt. Den Weg vom Vorjahr kreuzend, gehe ich einige hundert Meter weiter östlich kerzengerade durch einen Pinienwald hinunter. Dabei schneide ich eine der grossen Schlaufen ab, mit der die Strasse A-376 den Höhenunterschied zwischen dem Guadiaro-Tal und Ronda überwindet. Über etwas mehr als 1 km muss ich der rege befahrenen Strasse weiter abwärts bis zur nächsten Kehre folgen, wo ein kleineres Strässchen nach Nordosten abzweigt. Dem Cicerone-Guide zufolge müsste ich inzwischen auf dem GR7 sein, aber es gibt keinerlei Zeichen, die dies bestätigen würden. Immerhin wird es wieder ruhiger, es hat nur noch etwas Lokalverkehr, aber den Asphalt und die Hitze werde ich nicht los. Zum Glück habe ich am letzten Tag vor der Abreise noch einen breitkrempigen Hut beschafft; unter diesem lässt sich die Sonne erheblich besser ertragen als unter einer blossen Schirmmütze.
In der Hitze sollst du nicht wandern
Im Talgrund komme ich unter einer Bahnlinie hindurch – es ist dieselbe, der ich letztes Jahr schon mehrfach begegnet bin, nämlich jene von Algeciras über Ronda nach Granada. Ich befinde mich nun im Tal des Guadalcobacín, wie der Guadalevín ein Nebenfluss des Guadiaro. Über die das Tal nach Westen hin säumenden Hügelzüge – je nach Karte als Sierra de las Salinas oder Sierra de las Cumbres bezeichnet – muss, so vermute ich, die EHWS verlaufen. Zwischen Obstgärten, kleineren Häusergruppen, Villen und Gewerbebetrieben hindurch führt der Weg flussaufwärts. Hie und da sehe ich Leute unter Bäumen sitzen und essen; als ich an einem Restaurant mit gedeckter Terrasse vorbeikomme, entscheide ich mich spontan, es ihnen gleichzutun, und setze mich zum Mittagessen hin. Wie Recht sie doch haben: In der heissesten Zeit des Tages soll man weder arbeiten noch wandern, sondern essen und trinken!
Von Strassen- zu Bahnschlaufen
Etwa um vier Uhr breche ich wieder auf. Auf dem Asphaltsträsschen geht es nun mehrheitlich aufwärts zur Bahnlinie, die hier über mir dem Talhang entlang verläuft. Als ich sie erreiche, liegt das Städtchen direkt vor mir, ein kompaktes weisses Dorf mit einem schmucken quadratischen Kirchturm in der Mitte. Arriate liegt am oberen Ende des Tales, etwa auf halber Höhe zwischen dem Talgrund und dem Plateau von Ronda. So wie zuvor bei Ronda die Strasse, überwindet hier auch die Bahn die Höhenstufe mit einer langgezogenen Schlaufe; in einem fast kreisförmigen Bogen streift sie den Ortsrand und wendet sich nach Süden zurück.
Ich folge der Bahn bis zum Scheitel der Biegung, dann tauche ich ins schattige Innere des im Nachmittagsschlaf vor sich hin dösenden Städtchens ein. Mein Hotel befindet sich direkt neben der Kirche; um 17 Uhr beziehe ich mein vorausgebuchtes Zimmer, wo ich mich sogleich für einen kurzen Erholungsschlaf hinlege. Auf dem GR7 bin ich heute zwar nur ein kleines Stück weiter gekommen; aber die beiden Teilstrecken und die Hitze reichten aus, um einen untrainierten und erst am Vortag aus dem herbstlich-kühlen Mitteleuropa angereisten Wanderer zu ermüden.
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