Vom Gemmi-Gebiet bis zum Grimselpass erstreckt sich der Hauptkamm der Berner Alpen, der mit mehreren Viertausendern das Berner Oberland im Norden gegen das Rhonetal im Süden abriegelt. Die Europäische Hauptwasserscheide (EHWS) steigt vom Gemmi-Einschnitt zunächst in südöstlicher Richtung über das Rinderhorn zum Balmhorn hinauf und senkt sich dann leicht zur Gitzifurgge hinab; dort winkelt sie nach Ostnordost ab und folgt über Lötschenpass und Hockenhorn dem ab dem Petersgrat weitgehend vergletscherten Kamm zum Jungfrau-Massiv. In einem nach Norden ausbuchtenden Bogen streicht sie über die Gipfel von Jungfrau und Mönch, um dann nach Ostsüdost drehend auf dem Finsteraarhorn mit 4274 Metern ihre höchste Erhebung überhaupt zu erreichen. Mit einer nach Ostnordost zurückschwingenden Biegung zieht sie sich zum Grimselpass, von wo sie in einer weit nach Norden reichenden, zungenförmigen Ausstülpung den Rhonegletscher umkränzt und über den Furkapass in die Lepontinischen Alpen eindringt.
Erwandern lässt sich die EHWS in diesem Teil der Alpen meist nur in einem gewissen Abstand und auf deutlich tiefer gelegenen Wegen. Ich habe damit im Sommer 2022 begonnen. Dabei gelangte ich in einer Fünf-, einer Drei- und einer Zweitagetour vom Walliser Kurort Leukerbad über die Passübergänge Gitzifurka, Lötschenpass, Hohtürli und Sefinenfurgge sowie über die Station Eigergletscher der Jungbraubahn bis auf die Pfingstegg ob Grindelwald.
Unten siehst du, wie ich die Strecke in Etappen unterteilt habe.
Etappe 21 (9. August 2022) |
Leukerbad Pfeiru - Flühalp - Leukerbad Dorf |
15,9 km / 5h40' |
Etappe 22 (10. August 2022) |
Flühalp - Lötschenpass |
4,9 km / 4h |
Etappe 23 (11. August 2022) | Lötschenpass - Kleinhockenhorn - Selden | 11,2 km / 5h |
Etappe 24 (12. August 2022) | Selden - Oeschinen Bergstation | 16,5 km / 5h30' |
Etappe 25 (13. August 2022) | Oeschinen Bergstation - Griesalp | 14 km / 6h30' |
Etappe 26 (28. August 2022) | Griesalp - Gspaltenhornhütte | 8,8 km / 4h |
Etappe 27 (29. August 2022) | Gspaltenhornhütte - Gimmelwald | 13 km / 4h45' |
Etappe 28 (30. August 2022) | Gimmelwald - Oberhornsee - Stechelberg | 16,9 km / 6h30' |
Etappe 29 (4. September 2022) | Stechelberg - Eigergletscher | 15,7 km / 6h05' |
Etappe 30 (5. September 2022) | Eigergletscher - Pfingstegg (Grindelwald) | 12,6 km / 4h45' |
Weitere Etappen | noch offen |
Vorige Teilstrecke:
Projektabschnitt:
nächste Teilstrecke noch ausstehend
Wie es mir beim Wandern ergangen ist, kannst du in meinem Blog nachlesen. Unten gehts direkt zu den entsprechenden Tagesberichten.
EHWS Alpin, Etappe 30: Eigergletscher - Pfingstegg
«So nah wie Sie kommen ihr nur Wenige!» wirbt die Stimme aus dem Lautsprecher der Gondel, während diese an der Eigernordwand vorbeigleitet. Es sind jedoch mehr, als die Bahnbetreiberin zu ahnen scheint: Ich jedenfalls begegnete auf dem Eiger-Trail – dem Wanderweg, der unmittelbar unter der Wand entlangführt – einem durchaus regen Verkehr. Wobei ich selbst hier nicht die Nähe zum Eiger suchte, sondern zur Wasserscheide. Eben der jedoch war es, was mich von ihr fernhielt.
EHWS Alpin, Etappe 29: Stechelberg - Eigergletscher
Wer die rund 1600 Höhenmeter vom Lauterbrunnental zum Eigergletscher hinaufsteigt, sollte auf seine Tritte achten – doch die Augen zieht es unwiderstehlich in die Gegenrichtung: zum Mönch hinauf! zur Jungfrau! zum Eiger! Zum Himmel! – Die Steilheit und Höhe der direkt neben dem Trümmelbach aufragenden Kulisse sind ebenso unfassbar wie deren Schönheit. Und am Abend ist Nackenstarre mindestens so wahrscheinlich wie Muskelkater. Beides nimmt man in Kauf.
EHWS Alpin, Etappe 28: Gimmelwald - Oberhornsee - Stechelberg
Die Route, auf der ich dieser Tage unterwegs war, wird auch «Hintere Gasse» genannt, weil sie die – aus Sicht des Unterlandes – «hinteren» Bereiche der Berner Oberländer Täler miteinander verbindet. Aber man kann noch hinter die Hintere Gasse gelangen: Zum Beispiel im Hinteren Lauterbrunnental, wo man zu den hintersten Wasserfällen, dem hintersten Berghotel und dem hintersten Bergsee wandern kann. Dann allerdings heisst es Umkehren: Denn weiter ginge es über die Wasserscheide hinüber - und das schafft man nur mit Spezialausrüstung.
EHWS Alpin, Etappe 27: Gspaltenhornhütte - Gimmelwald
Die beiden Seiten der Sefinenfurgge sind wie Tag und Nacht – oder umgekehrt, wenn man von West nach Ost geht. Vor allem, wenn man einen derart klaren Sommertag erwischt wie ich. In den ersten Stunden glitzerten nur Gipfel und hochgelegene Gletscher, alles andere lag in tiefem Schatten und war grauer Stein und Fels. Dann plötzlich stehe ich auf der Passhöhe und werde von der Sonne geblendet, die direkt über dem aufragenden Eiger steht. Und die ganze Welt ist in strahlendes Licht getaucht, ist grün und wird von bimmelnden Kuhglocken beschallt.
EHWS Alpin, Etappe 26: Griesalp - Gspaltenhornhütte
Viel weiter brachte mich diese Etappe nicht: In Luftlinie liegen Gspaltenhorn- und Blüemlisalphütte nur etwa drei Kilometer auseinander. Und doch ist auch das Gamchi-Tal eine eigene Welt: Wie durch eine von mächtigen Felswänden gerahmte Pforte taucht man in einen gewaltigen Trog ein. Von den Gletschern, die ihn einst ausgeschliffen hatten, war unten zwar nicht mehr viel übrig. Aber von oben, wohin sie sich zurückgezogen hatten, grüssten sie in immer noch eindrücklicher Dominanz herab.
EHWS Alpin, Etappe 25: Oeschinen - Griesalp
Wer im Berner Oberland vom Oeschinensee zur Griesalp im benachbarten Kiental hinüber will, muss zuerst stundenlang steil hinauf, um dann noch steiler und tiefer wieder hinunterzusteigen. Zwar wollte ich eigentlich gar nicht auf die Griesalp, sondern in der luftigen Höhe der Blüemlisalphütte übernachten. Doch weil es dort an diesem sagenhaft sonnigen Samstag keinen Platz mehr gab, blieb mir nichts anderes übrig, als alle die mühsam erkämpften 1200 Höhenmeter sogleich wieder preiszugeben, kaum dass der «Hohtürli» genannte Sattel erklommen war.
EHWS Alpin, Etappe 24: Selden - Oeschinen
Weil sich nördlich des Gasterntals eine weitere nur schwer begehbare Bergkette anschliesst, werden Wasserscheidenwanderer noch weiter von ihrem Objekt abgedrängt: Man muss westwärts runter nach Kandersteg und dann um die Doldenhorn-Blüemelisalp-Gruppe herum nach Osten zurückdrehen. Also folgte ich der jungen und wilden Kander talabwärts und begegnete dabei zahlreichen anderen Bächen, die ihr von allen Seiten entgegengestürzt oder -gekrochen kamen. Also lauter Wassersammlern – dem puren Gegenteil von Wasserscheiden.
EHWS Alpin, Etappe 23: Lötschenpass - Kleinhockenhorn - Selden
Stellt man sich den Lötschenpass entsprechend dem verbreiteten Wortbild als «Sattel» vor, so könnte man in dem gleichmässig zum Hockenhorn ansteigenden Grat einen Pferdenacken sehen. Auf ihm gehend, genoss ich frische Höhenluft, Morgensonne und atemberaubende Aussichten in die beidseits abfallenden Trogtäler und auf vergletscherte Gipfelkränze. Spätestens ab dem Hockenhorn aber wurde der Kamm für Nichtalpinisten wie mich unbegehbar, und es galt von der hohen Wasserscheide in die Tiefe des Gasterntals hinunterzusteigen.
EHWS Alpin, Etappe 22: Flühalp - Lötschenpass
Die Anfahrt per Alpentaxi erlaubte es mir, mich sogleich auf das Wesentliche zu konzentrieren: nämlich die mit rund drei Stunden veranschlagte Steigarbeit von der Flühalp zur Gitzifurka hinauf. Im Schatten von Flühen und einigem Gewölk stemmte ich mich Schrittchen für Schrittchen nach oben. So vertieft war ich in diese einsame Arbeit, dass ich ihr Ende nicht kommen sah: Plötzlich wurde es flach unter den Schuhen, und ein riesiges Fenster wurde aufgerissen. Freudenschreie stiessen ungehemmt in die Gletscher- und Gebirgswelt hinaus.
EHWS Alpin, Etappe 21: Leukerbad Pfeiru - Flühalp - Leukerbad Dorf
Nach zwei Jahren Pause brannte ich darauf, die nächste alpine Hürde zu überwinden. Dem Nordhang des Dala-Tals entlang zur Flühalp und dann über die Gitzifurka zum Lötschenpass hinüber: Das war mein Plan. Doch schon nach zwei Stunden stand ich wie der sprichwörtliche Esel am Berg: Ein mir unpassierbar scheinender Graben liess mich umkehren und es am andern Talhang versuchen. Nach steilem Talab- und ebensolchem Wiederaufstieg erreichte ich zwar doch noch die Flühalp, meine Kräfte waren freilich aufgebraucht. Da gab es nur noch eins: zurück nach Leukerbad und zu dessen heilsamen Thermen.