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Auch ohne Feen bezaubernd

EHWS  Jura, Etappe 14: Le Tillau (F) - L'Auberson (CH)

Les Prises, Blick nach Südwesten zum Le Suchet.
Les Prises, Blick nach Südwesten zum Le Suchet.

Vom Mont des Verrières aus ging es in südlicher Richtung weiter. Auf den sanft gewellten, einsamen und gewässerlosen Hochflächen von Les Fourgs und La Côte-aux-Fées dehnen sich fichtenbestandene Weiden zwischen Waldpartien aus. Zu dieser Jahreszeit und bei diesem Wetter schaffen sie ein Mosaik aus Grüntönen, über das sich genussvoll wandern lässt. Eine Landschaft, die mindestens so bezaubert wie die Feen in den Legenden, die sich um sie ranken.

Touristisch vermarktet sich die Gegend – ebenso wie das Hotel «Le Tillau», in dem wir übernachteten – gern mit Bildern, auf denen die Farbe Weiss dominiert: als tief verschneite Landschaft, die mit Skiliften, Loipen und Schneeschuh-Routen zum Skilanglauf und andern Wintersportaktivitäten einlädt. Uns aber, die wir mitten im Hochsommer hier waren, bot sich beim Blick aus dem Fenster allenthalben nur Grün: Weideland, das direkt vor dem Hotel beginnt und sich leicht ansteigend bis zum Wald ausbreitet, der es am nahen Horizont begrenzt; da und dort verstreut einzelne Büsche oder Bäume, links und rechts von uns hohe schattenspendende Laubbäume. Auf der anderen Seite, vor der Tür, blickten wir zu den ebenfalls mit Weiden und Wäldern bedeckten Höhen des Grand Taureau hinüber, der höchsten Erhebung der sich jenseits des Tales von Les Verrières hinziehenden Larmont-Kette. Und uns zog es auch bei Grün, in diese Landschaft einzutauchen, die dafür ein Netz von Radrouten und Wanderwegen bereithielt.

Schafe statt Feen

Start beim Hotel Le Tillau.
Start beim Hotel Le Tillau.

Jener Weg, den wir unter die Füsse nahmen, ist Teil eines Netzes für Wanderer und Mountainbiker, das als «Circuits des Fées» (Feen-Rundstrecken) ausgeschildert und markiert ist. Die Bezeichnung bezieht sich auf die Gemeinde, die den Grossteil der schweizerischen Seite des Plateaus einnimmt: Deren Name «La Côte-aux-Fées» regte seit je die Fantasie an und liess Legenden spriessen. (Ob die Bezeichnung «Grüne Fee» für den in den benachbarten Tälern hergestellten Absinth-Schnaps in einem Zusammenhang mit solchen Legenden steht, ist dem Autor nicht bekannt.) Ein kurzes Nachschlagen in Wikipedia belehrt freilich, dass er in Wahrheit auf ein lateinisches Wort für Schafe zurückgeht – und daher mit Feta wohl mehr zu tun hat als mit Zauberwesen. Er erinnert somit eher daran, dass die karge und unwirtliche Hochfläche lange Zeit von Menschen gemieden und nur als Weideland für Schafe genutzt wurde. Erst gegen Ende des Mittelalters setzte eine bescheidene Besiedlung ein.


Le Tillau (F) - L'Auberson (CH)
Etappe EHWS Jura, Nr. 14
  (Fernwanderprojekt EHWS)
Länge / Zeit 18 km / 4h50'
Auf- / Abwärts 275 m / 319 m
Höchster Punkt 1'209 m (Châlet de la Prise Martin)
Tiefster Punkt 1'059 m (L'Auberson, La Combe)
Fernwanderwege ---
Durchgeführt Freitag, 23. Juli 2021
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DIe EHWS im Bereich dieser Etappe
  • Wasserscheide zwischen Doubs-Vorflutern auf der Rhône-Mittelmeer-Seite und der in den Neuenburgersee fliessenden Areuse auf der Rhein-Nordsee-Seite. Die Vorfluter des Doubs sind La Morte und Ruisseau de Fontaine Ronde, jener der Areuse heisst Le Buttes und in seinem Oberlauf La Noiraigue.
  • Zunächst setzt sich die EHWS über den Rücken des Mont des Verrières nach Südwesten fort. Bald wird sie jedoch durch die tektonische Bruchlinie, die sich zwischen Vallorbe und Pontarlier quer durch den Jura zieht und dessen Faltensystem stört, nach Süden abgedrängt. Sie folgt nun der geschwungenen Kante des gewellten und oberirdisch abflusslosen Hochplateaus von La Côte-aux-Fées.
  • Die Wanderung startet auf der Doubs-Rhône-Seite der EHWS und endet auf deren Areuse-Rhein-Seite. Unterwegs kreuzt und  berührt sie die EHWS mehrmals und bleibt ihr stets nahe.

Dass man auch heute noch stundenlang durch die Landschaft streifen kann, ohne auf grössere Häuseransammlungen zu stossen, davon konnten wir uns heute überzeugen. Und was man als Wanderer besonders schätzt: Man kann dies manchmal über grössere Strecken tun, ohne auf Asphalt zu treten. Bis zum Waldrand hinauf gingen wir auf Kies, dann an diesem entlang auf einem mit Steinen verstärkten Weidenweg bis zu einem einsam auf der Wiese stehenden Gebäude, die «Prise Martin» – vermutlich ein aufgegebener Kleinbauernhof. Mit 1209 Metern war es auch bereits der höchste Punkt des Tages und der erste Kontakt mit der Wasserscheide, die wir am Vorabend kurz vor der Ankunft verlassen hatten. Ein Fusspfad, der sich zwischen Baumgruppen durch ein parkähnliches Gelände mit Baumgruppen und Gras schwang, führte uns zu dem Weiler Les Prises – eine Gruppe von Höfen an einem flach geneigten Hang mit sehr schöner Sicht auf die südlichste und höchste Jurakette mit den Erhebungen Chasseron und Le Suchet. Einst sollen rund 100 Menschen hier gelebt haben – heute gibt’s nur noch eine Handvoll Häuser, eines davon immerhin eine Herberge.

Irrläufer

Nun verabschiedeten wir uns vom Feen-Rundweg, denn dieser biegt hier ostwärts nach La Côte-aux-Fées ab, während wir uns weiter am Verlauf der Wasserscheide orientierten, die eine spitze Ausbuchtung nach Westen beschreibt. (Sie zieht sich damit durch das Gebiet der Gemeinde Les Fourgs, deren Name an Zeiten erinnert, da in der Gegend Eisenerz abgebaut und in Hochöfen («fours» auf Fanzösisch) verhüttet wurde.) Auf einem weichen Wiesenpfad tauchten wir in eine Mulde hinab, um an ihrem bewaldeten Gegenhang wieder hinaufzusteigen. Die Wegmarkierungen waren hier weniger gut; einmal verliefen wir uns und mussten ein Stück wieder zurückgehen. Ähnliches widerfuhr auch Anderen: Auf dem nächsten Plateau begegneten wir einem in der Region heimischen Wandererpaar, das vergeblich den Weg zur Roche Sarrasine suchte – einem offenbar bekannten Aussichtspunkt über dem quer zur Jurafaltung verlaufenden, durch tektonische Verwerfung entstandenen Taleinschnitt, der das Plateau im Westen begrenzt. Wir tauschten uns kurz aus, verglichen unser Kartenmaterial miteinander und kamen zu dem Schluss, dass der Ort wohl besser auf einem andern Weg vom Weiler Granges Bailly aus angesteuert werden konnte. Das hiess (wie sich herausstellte): von dort, wo die Beiden eben hergekommen waren, sie hatten ihr Auto dort parkiert.

Gegen Mittag erreichten auch wir diese Häusergruppe, und von nun an gingen wir wieder öfter auf asphaltierten Strässchen, die kleine, oft nach Scheunen («Granges») benannte Weiler und Gehöfte verbinden. So gelangten wir in gerader und exakt der Wasserscheide folgender Linie nach Les Granges, kurz darauf – wieder von der EHWS abgerückt – nach Les Granges Berrard. Wald ist in diesem Teil der Hochfläche selten, und die auch noch vom Asphalt reflektierte Hitze begann uns zuzusetzen. Im Schatten eines kleinen Hains am Rande einer eben erst abgemähten Wiese mit aufgerollten Heuballen ruhten wir uns eine Weile aus.

Historische Vorläufer

Infotafel bei La Haute-Joux.
Infotafel bei La Haute-Joux.

Leider hatten wir dazu aber nicht viel Zeit, denn wir mussten am Abend zu Hause sein. Es blieb uns nichts anders übrig als weiterzugehen und die Hitze zu ertragen. Ganz anders einige historische Vorläufer, von denen eine Informationstafel beim Weiler Haute-Joux berichtete: Im 15. Jahrhundert sollen die Truppen des Burgunderherzogs Karl der Kühne auf ihrem Weg nach Grandson (wo sie dann eine Schlacht gegen die Eidgenossen verlieren sollten) eventuell hier vorbeigezogen sein; vier Jahrhunderte später suchten Teile der vor den preussischen Truppen flüchtenden Bourbaki-Armee hier einen Weg in die Schweiz, und zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, als man noch mit der Möglichkeit eines deutschen Angriffs von schweizerischem Territorium aus rechnete, hoben französische Soldaten gleich nebenan vorsorglich einen Schützengraben aus. All dies – so ergaben meine Recherchen – ereignete sich jeweils im Winter. Tauschen möchte man nicht nur aus diesem Grund mit keinem der Beteiligten.

Hinter Haute-Joux gelangten wir wieder auf die Rhein-Seite der Wasserscheide und wurden von unserem GPS-gestützten Wanderplaner wider alle Schilder und Kartenangaben in einen Wald und in diesem in den Morast hineingeführt. Von einem Weg konnte keine Rede sein. Wir waren aber froh um den Schatten, kämpften uns bis zu einem Forststrässchen durch und erreichten auf diesem die Strasse Pontarlier – Sainte-Croix. Hätten wir unsere Route fortsetzen wollen, wären wir hier nach rechts in Richtung Les Fourgs abgebogen. Da wir aber nach Bern zurückmussten, wandten wir uns nach links und überschritten nach wenigen hundert Metern beim Übergang Grand’Borne die Landesgrenze, um danach – nun wieder auf einem ausgeschilderten Wanderweg und mit dem eindrücklichen Felsklotz des Chasseron vor Augen – das Waadtländer Strassendorf L’Auberson anzusteuern. Hier gab es Anschluss an das öffentliche Verkehrsnetz; aber da ich – im Unterschied zu Ruth – nicht fünf Viertelstunden warten mochte, ging ich noch weiter und stieg erst kurz vor Sainte-Croix dem Bus zu, in dem sie mich einholte.

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