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Im und um den Brei herumgestochert

EHWS Mittelland, Etappe 3: Savigny - Grandvaux

Blick vom Bahnhof Grandvaux auf Cully und Genfersee.
Blick vom Bahnhof Grandvaux auf Cully und Genfersee.

Auch am dritten Tag der Mittelland-Querung lichtete sich der Nebel nicht. Da schritt ich über den als Weltkulturerbe klassifizierten Weinbergterrassen des Lavaux dahin, wusste den Alpenkranz vor und den Genfersee tief unter mir und sah von alledem kaum einen Schimmer. Und weil der Südhang der
Wasserscheide weniger zugänglich war als erwartet, machte ich in dem Nebelbrei auch noch unnötige Umwege.

Savigny liegt leicht erhöht über einem länglichen Hochplateau, das sich zwischen die Jorat-Höhen und das rund 400 Meter tiefer zwischen Mittelland und Alpen eingesenkte Becken des Genfersees schiebt. Mitten durchs Dorf verläuft kaum wahrnehmbar eine vom Jorat herab kommende Geländeschwelle, die sich quer über das Plateau nach Süden zu einem Hügel hinzieht. Das ist die  Wasserscheide zwischen Rhein und Rohne: Auf der einen Seite neigt sich das Plateau unmerklich nach Nordosten und entwässert über das am Jorat entspringende Flüsschen Grenet via Broye zum Neuenburgersee hin; auf der andern Seite senkt es sich sanft nach Süden hin, bevor das Gelände steil über die terrassierten Weinberge des Lavaux zum Genfersee hinabfällt. Der Hügel im Südosten heisst eigentlich Mont de Belmont, wird auf Karten und Wegweisern aber fast immer nach der ihn krönenden Sendeantenne als «Signal de Grandvaux» bezeichnet.


Savigny - Grandvaux
Etappe EHWS Mittelland, Nr. 3
  (Fernwanderprojekt EHWS)
Länge / Zeit 13,2 km / 3h40'
Auf- / Abwärts 167 m / 426 m
Höchster Punkt 824 m (Savigny, Ancienne Poste)
Tiefster Punkt 561 m (Grandvaux Gare)
Fernwanderwege ---
Durchgeführt Donnerstag, 22. Nov. 2018
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Auf seiner Kuppe, auf der sie sich scharf nach Osten wendet, reicht die EHWS so nahe wie sonst nirgends an den Genfersee heran: Nur gerade zwei Kilometer – jedoch rund 420 Höhenmeter – trennen sie hier von dessen Nordufer. Bis zu diesem Punkt wollte ich es dieses Jahr noch schaffen; es bedurfte dazu – einschliesslich des Abstiegs zum Bahnhof von Grandvaux – lediglich einer Kurzwanderung von etwa zweieinhalb Stunden.

Was zu sehen war

Das gesamte Plateau bis zum «Signal» - vor der Hintergrundkulisse der Alpen - liesse sich von Savigny aus eigentlich leicht überblicken. Nicht so jedoch an meinem Wandertag: In Bern bei Sonnenschein aufgebrochen, trat ich an der Haltestelle «Savigny Ancienne Poste» vom Bus in eine dichte Nebelsuppe hinaus. Die Häuser von Savigny, dem ich auf der Strasse entgegenging, tauchten erst in nächster Nähe aus dem Grau auf. Das Plateau durchquerte ich in einer guten Stunde, ohne viel von ihm zu sehen; das Flüsschen Lutrive (ein zum Genfersee hinstrebendes Wässerchen) nahm ich wahr, als ich es kreuzte, ebenso wie die Strasse nach Lutry und verstreute Einzelhöfe. Aber die dunkle Silhouette des Signal-Hügels zeichnete sich erst ab, als ich die Strasse an seinem Fuss erreichte; vage liess sich zwischen den Baumwipfeln auf dessen Kuppe so etwas wie eine Antenne erkennen.

Mont de Belmont oder Signal de Grandvaux von Norden.
Mont de Belmont oder Signal de Grandvaux von Norden.

Ich hätte nun den nordseitig am «Signal» vorbeiziehenden «Chemin de Chincuz» einschlagen und in einem grossen Bogen über die östliche Schulter zu ihm hinaufgelangen können; auch zweigte gleich hinter dem an der Kreuzung gelegenen Hof ein unmarkierter Fussweg ab, der quer durch Weiden mit einer Kuhherde hinaufstieg. Ich zog es jedoch vor, die Strasse Richtung Grandvaux zu nehmen, um den Hügel von Süden her zu erklimmen. Eine Wander-App gab mir einen EHWS-naheren Weg an, der relativ knapp unterhalb des Kamms dem Hang entlang und dann durch diesen hinauf führen sollte; auf meiner Karte existierte er freilich nicht.

Was begehrt wurde

Ich folgte der Strasse westseitig am Hügel vorbei und passierte die Ortstafel «Le Signal» (auch dieser Aussenbezirk nannte sich also nach der Antenne), bei der das Siedlungsgebiet begann, das sich weit den sich im Nebel verlierenden Hang hinab erstreckte. Kurz unterhalb der Geländekante hätte mein Weg irgendwo nach links abzweigen sollen, aber ich sah nur verschiedene Zufahrtsstrassen zu einer sich an den Waldrand schmiegenden Neubausiedung und verzichtete darauf, zwischen den Wohnhäusern den Beginn eines Wanderwegs zu suchen. So bog ich erst etwa einen Kilometer weiter unten, direkt vor der Genfersee-Autobahn, auf eine schmale Nebenstrasse mit Wegweiser «Puidoux» und unmittelbar danach auf ein mit «Chemin de la Roche» beschildertes Quartiersträsschen ab. Dieses wand sich in Serpentinen steil den dicht überbauten Hang hinauf. Er endete jedoch als Sackgasse vor den Zugängen zu Wohnhäusern, und da ich keinen weiterführenden Weg Richtung Wald hinauf fand, kehrte ich wieder um und schlug den «Chemin des Crêts Leyron» ein, der dem Hang ebenan nach Osten folgte. Bergaufwärts führende Abzweigungen – etwa ein «Chemin des Crêts» geheissenes Strässchen –  waren entweder als privat gekennzeichnet oder wurden von mir als solches eingeschätzt, weshalb ich Sackgassen vermutete und sie mied. So ging ich rund eine halbe Stunde lang horizontal zwischen grossen, mit Gärten und Zäunen, Hecken oder Mauern bewehrten Villen und noblen Einfamilienhäusern; es war offensichtlich, dass die Wohnlage heiss begehrt war, aber die Gründe dafür blieben verborgen: Berge und See waren vollkommen vom Nebel verhüllt, nur ganz selten war in der Tiefe der Hauch einer Uferlinie zu erspähen.

Worum sich alles drehte

Als am Ende der Bebauung der Hang etwas zurückwich, folgte ich diesem auf einem mit «Chemin du Grabe» beschilderten Weg, den ich aber nach wenigen Schritten verliess. Endlich hatte ich ein Stück offenen Grashang vor mir! Steil und weglos stieg ich durch diesen hinauf, dem Saum eines Wäldchens entlang, scheuchte dabei ein Reh auf und erreichte schon bald eine Schulter. Auf dieser folgte ich einem Strässchen, das an Einzelhöfen (und im Übrigen auch an der Einmündung des von mir wohl zu Unrecht verschmähten Chemin des Crêts) vorbeizog und sich in wenigen Kurven durch immer dichteren Nebel zur Kuppe hinauf wand. Zweieinhalb Stunden nach dem Start stand ich dann auf dem Betonsockel der Antenne, um die sich die ganze Wanderung drehte, und sah: genau nichts – ausser einer undurchdringbaren grauen Wand in einer Entfernung von höchstens zehn Metern! Immerhin konnte ich mir sagen, dass ich an dem Genfersee-nahesten Wendepunkt der EHWS stand…

Rebberge von Grandvaux, Blickrichtung West.
Rebberge von Grandvaux, Blickrichtung West.

Auf dem Rückweg verzichtete ich auf die Abkürzung durch die Wiese, die ich stattdessen auf einem Strässchen umging, das mich über einen Sattel zum Chemin du Grabe zurückführte, und liess mich auf diesem weiter den überbauten Hang hinabtreiben – alles auf Hartbelag, Hauptsache abwärts – bis zum Bahnhof von Grandvaux. Etwas weiter unten war das gleichnamige, pittoresk in die Rebberge eingebettete Winzerdorf zu sehen – der 180 Meter tiefer als der Bahnhof gelegene See jedoch hielt sich hartnäckig weiterhin im Nebelbrei verborgen. Ich meinerseits hatte im letzteren lange genug letzherumgestochert: Durch meine Um- und Abwege hatte sich die Kurzwanderung um rund eine Stunde verlängert.


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