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Dunst über Tal und Meer

EHWS Andalusien, Etappe 26: Dúrcal - Lanjarón

Guadalfeo-Tal vor Sierra Lújar, Wolkenband über dem Meer.
Guadalfeo-Tal vor Sierra Lújar, Wolkenband über dem Meer.

Noch einmal bei Prachtswetter gings auf in die Westflanke der Sierra Nevada. Nach einem steilen Aufstieg folgte eine Panoramawanderung hoch dem Hang entlang – mit weiten Ausblicken über die Ebene im Norden, das Valle de Lecrín im Westen und später die Küstengebirge und das Tal des Guadalfeo im Süden. Im Dunst liessen sich Mittelmeer und Afrika-Küste erahnen. In endlosem Zickzack stieg man schliesslich zum Kurort Lanjarón hinunter, dem Tor zu den Alpujarras.

Brunnen in Dúrcal.
Brunnen in Dúrcal.

Nach Dúrcal zurück liess ich mich per Taxi bringen, am Samstagvormittag gab es von Padúl aus keine Busse dorthin. Es war schon viertel vor Zehn, als ich mich an der Plaza España in Marsch setzte – an derselben Stelle, an der ich gestern den Bus bestiegen hatte – und die Digitalanzeige wies bereits wieder 17 Grad aus. Von der trapezförmigen Plaza zweigte in spitzem Winkel eine schmale Strasse Richtung Südosten ab, die in einer geraden Linie zum Städtchen hinaus und dann zwischen Feldern und Obstgärten zunehmend ansteigend nach Nigüelas hinaufführte. Sie verlief erst parallel zu den nahen Berghängen im Osten und dann immer mehr auf diese zu, die jedoch keinen Schatten mehr spendeten: Die Sonne stand bereits über ihnen.

Acequías allenthalben

Schatten fand ich aber vorübergehend wieder in den engen und verwinkelten Gässchen des weissen Dorfes Nigüelas, in die ich nach etwa 50 Minuten eintauchte. Im ganzen Dorf rauschte es zudem von frei oder verdeckt fliessenden Wasserläufen (Acequías), was den Eindruck von Frische vermittelte. Am Hotel «Secreto del Olivo» vorbei, wo ich gestern übernachtet hätte, wenn es denn nicht ausgebucht gewesen wäre, stieg ich zum oberen Dorfausgang hinauf und fand dort auf den gestern verlassenen GR7 zurück. Auf diesem ging es einige Schritte leicht abwärts zum Río Torrente, der hier aus dem Gebirge heraustrat. Würde man ihm flussaufwärts folgen, würde man ins Herz und irgendwann auf den Hauptkamm der Sierra Nevada gelangen. Der GR7 zweigt aber genau hier von dem Strässchen ab und überquert den Fluss, um auf der andern Seite eine Spitzkehre zu vollziehen und nach Südsüdwest zurückzubiegen.


Dúrcal - Lanjarón
Etappe EHWS Andalusien, Nr. 26
  (Fernwanderprojekt EHWS)
Länge / Zeit 21,6 km / 6h52'
Auf- / Abwärts 687 m / 812 m
Höchster Punkt 1'292 m (ob Ctjo de las Diez Suertes)
Tiefster Punkt 661 m (Lanjarón)
Fernwanderwege E4 (GR7)
Durchgeführt Samstag, 13. Oktober 2018
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Der nun vor mir liegende Tagesabschnitt des GR7 bestand grob gesagt aus der Umrundung der südwestlichen Ecke des Sierra Nevada-Massivs, und zwar grösstenteils in Höhen zwischen 1100 und 1300 Metern – aber zunächst musste man einmal dort hinauf gelangen. Vorerst neigte sich der Weg eher wieder leicht abwärts. Für einige Minuten genoss ich den Schatten des Cerro Alto, des vordersten Berges, während auf der gegenüberliegenden Seite des U-förmigen und fruchtbaren Torrente-Tals Nigüelas noch einmal an mir vorbeiglitt. Dann schritt ich durch besonnte Mandelhaine und erreichte entlang von Wasserleiten das nach ebensolchen benannte Acequías, ein kleines schmuckes Dorf auf einem Plateau über dem Valle Lecrín. Seit dem Start waren da erst eineinhalb Stunden vergangen: Ich war flott vorangekommen und fand überhaupt an diesem Morgen alles wunderbar – wäre da nur die Blase am linken Fuss nicht gewesen.

Am Hang des Cerro Alto.
Am Hang des Cerro Alto.

In Acequías wendet sich der GR7 wieder nach Ost bis Nordost und beginnt gleich über dem Dorf anzusteigen. Die Mandelhaine hinter mir lassend, gelangte ich auf einen echten Bergpfad, der sich immer steiler durch den felsigen Hang des Cerro Alto hinaufzog. Noch einmal profitierte ich für eine Weile von dessen Schatten und genoss den Blick zurück auf Nigüelas hinunter und über das dahinterliegende Plateau mit den Städtchen Dúrcal und Padúl hinweg Richtung Granada. Irgendwo dort hinter Padúl musste die Wasserscheide verlaufen, die sich von West nach Ost über die das Becken von Granada abschirmende Geländeschwelle zieht und von da zum Sierra-Nevada-Hauptkamm emporschwingt.

Höhenweg durch Furchen

Höhenweg, Blick rückwärts.
Höhenweg, Blick rückwärts.

Das steilste Stück des Bergpfads verlief im Zickzack und war voll besonnt. Aber schon bald erreichte ich ein sandig-kiesiges Erschliessungssträsschen, das vorerst zwar auch noch etwas anstieg, aber wenigstens teilweise von Kiefern beschattet war, zusehends abflachte und zu einem Höhenweg wurde. Dieser führt zunächst ostwärts in die Tiefe einer markanten Hangfurche mit dem Namen «Raja de Puerto Blanca» hinein («raja» heisst soviel wie «Riss» oder «Schlitz»), wendet sich dort dann aber scharf nach Süden und hält diese Hauptrichtung über viele Kilometer bei. In wechselndem Auf und Ab folgt er den Vertiefungen und Vorsprüngen des zerfurchten Hangs, passiert hie und da Einzelhöfe, durchquert lichte Waldpartien und immer mal wieder Mandelpflanzungen. Und immer wieder boten sich fantastische Weitsichten: nicht nur rückwärts Richtung Granada, sondern auch seitlich zur Sierra de Almijara und über das Valle Lecrín mit dem gesamten gestern durchwanderten Gebiet (von Albuñelas im Westen über Restábal bis nach Murchas und das Plateau mit dem Windpark und der Autobahn) und vorwärts über die Talmulde des Río ízbor mit dem Stausee von Béznar, die sich irgendwo dort unten zum Mittelmeer hin absenkte.

Panoramatafel ob Lanjarón.
Panoramatafel ob Lanjarón.

Kurz nach halb Zwei – vier Stunden nach dem Aufbruch – legte ich auf dem Rand eines steinernen Brunnens unweit des Hofes Cortijo de las Diez Suertes meine Mittagsrast ein; vermutlich war es mit knapp 1300 Meter der höchste Punkt des Tages. Dann marschierte ich ungefähr weitere zwei Stunden nach Süden, bis der Hang nach Osten zurückwich. Plötzlich machte sich die Zivilisation wieder stärker bemerkbar: Ich kam an einem im Cicerone-Führer mit «Albergue de Lecrín» bezeichneten Picknick-Platz vorbei, auf dem viel und lauter Betrieb herrschte – es war Samstagnachmittag – , und kurz darauf kam tief unten das weisse Städtchen Lanjarón in Sicht. Ihm vorgelagert lag in noch weiterer Tiefe das von Ost nach West verlaufende Talbecken des Guadalfeo mit dem Stausee («Embalse»“) von Rules; dahinter erhob sich die südlichere Kordilleren-Kette mit der Sierra de Lújar. Seitlich davon sah man in der Tiefe die Autobahn, die durch den Kordilleren-Einschnitt Richtung Mittelmeer führte. An klaren Tagen soll letzteres von hier aus sichtbar sein, an ganz klaren Tagen sogar die Küste von Afrika; beides liess sich jedoch heute nur in der Dunstschicht erahnen, die sich dort ausbreitete. Feiner Dunst lag auch über den Tälern; er reichte fast bis in meine Höhe herauf, und vor der gegenüberliegenden Sierra de Lújar verdichtete er sich zu einem weissen horizontalen Streifen.

Langr Abstieg zum Schluss

Nun begann der lange Abstieg, der mir im Voraus aufgrund von Berichten etwas Respekt eingeflösst hatte. Tatsächlich benötigte ich gut eineinhalb Stunden, bis ich die zahlreichen und zum Teil langen Schlaufen hinter mich gebracht und die rund 600 Höhenmeter vernichtet hatte, aber es kam mir vor, als hätten meine Knie schon üblere Strapazen überstanden, und an die Blase am Fuss hatte ich mich wohl inzwischen so gewöhnt, dass ich sie kaum noch bemerkte. Es kamen die ersten Häuser, und an einem Honigmuseum und einem grossen Badehotel vorbei erreichte ich die baumbeschattete Hauptstrasse des sich auf einer schmalen, aber langen Terrasse dahinziehenden Kurortes. Es war kurz nach Sechs, als ich mein mitten im Zentrum gelegenes Hotelzimmer bezog.

 


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