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Balkone über der Freigrafschaft

EHWS Jura, Etappe 11: Le Prévoux (CH) - Vieux Châteleu (F)

Meix Musy, Blick auf Doubs-Tal mit Villers-le-Lac.
Meix Musy, Blick auf Doubs-Tal mit Villers-le-Lac.

Bei wunderschönem Herbstwetter machten wir uns noch einmal in diesem Jahr zu einer Zweitagewanderung auf. Nachdem wir zuletzt die Neuenburger Hochtäler gequert hatten, wandten wir uns ebenso wie die Wasserscheide nun wieder in die Nordost-Südwest-Richtung der Jurafaltung und steuerten die Larmont-Kette an. Diese erhebt sich nur geringfügig über die südöstlich anschliessenden Hochtäler, fällt jedoch nach Nordwesten steil zu den Tälern des Doubs und seiner Nebenflüsse hinab; wo sich der Wald lichtete, boten sich Ausblicke über diese hinweg in die endlosen Weiten der Franche-Comté hinaus.

Heute empfing uns der Jura in goldenen und roten Oktoberfarben. Als wir am Waldrand bei Haut-du-Prévoux aus dem Bus stiegen, traten wir auf Morgentau. Eigentlich hätten wir gleich hinter dem Hotel, in dem wir im Sommer übernachtet hatten, den «Sentier des Bornes» einschlagen können, einen Wanderweg entlang der hier über Kämme des Larmont-Kettensystems verlaufenden schweizerisch-französischen Landesgrenze; er hätte uns in direkter Linie zum Meix Musy geführt, dem ersten Kulminationspunkt der Etappe. Weil die EHWS aber erst weiter westlich auf den «Sentier» stiess – unser Ausgangspunkt lag auf der Doubs-Rhône-Seite – , und weil es alternative Wege gab, die ihr vorerst näher kamen als dieser, liessen wir ihn erst einmal rechts liegen.


Le Prévoux (CH) - Vieux Châteleu (F)
Etappe EHWS Jura, Nr. 11
  (Fernwanderprojekt EHWS)
Länge / Zeit 14,7 km / 4h13'
Auf- / Abwärts 361 m / 237 m
Höchster Punkt 1'286 m (Meix Musy)
Tiefster Punkt 1'077 m (Le Prévoux)
Fernwanderwege E2 (GR5)
Durchgeführt Freitag, 5. Oktober 2018
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Auf Umwegen zum Fernwanderweg

Verpasste Abzweigung.
Verpasste Abzweigung.

Die gewählte Alternative – also ein Umweg – führte uns als erstes auf dem offiziellen Wanderweg Richtung La Brévine durch ein sanft ansteigendes Waldstück. Beim Waldaustritt trafen wir ein erstes Mal auf die EHWS, die hier noch quer zu den Tälern verläuft und sich in einer Geraden zum Rücken des Prévout hinaufschwingt. Unsere Route bog hier scharf nach rechts auf ein unmarkiertes Erschliessungssträsschen ab; vor lauter Entzücken über die beschaulich ins besonnte Weideland gebetteten Höfe des Weilers Bétod

verpassten wir freilich die Abzweigung zunächst und fanden sie erst nachdem wir umgekehrt waren. Das Strässchen führte uns in den Wald zurück und bog dann hufeisenförmig um die nordöstliche Schulter des Prévout herum in eine noch im Schatten liegende Mulde hinein, die sich nach Westen hin ansteigend zwischen diesen und einen benachbarten Höhenzug hinein wölbte. Über den Baumwipfeln des rechten Kamms reckte sich zuhinterst ein Sendeturm in die Sonne empor, es musste jener vom Meix Musy sein. Bei einem Kreuz zweigten wir nach rechts ab und überquerten die Mulde auf einem Weg, der geradewegs auf einen am Gegenhang klebenden Hof zusteuerte und hinter diesem zur bewaldeten Kante des Hügelzugs hinaufführte. Dort stiessen wir auf die Landesgrenze, und unserer Umweg war beendet.

Von Grenzstein zu Grenzstein

Denn jetzt befanden wir uns auf dem «Sentier des Bornes» («Weg der Grenzsteine» auf Deutsch), und gleichzeitig auch auf dem internationalen Fernwanderweg GR5/E2 (Nordsee – Côte d’Azur), der von der andern Seite der Krete aus dem Tal des Doubs herauf kam. Diesem blieben wir für den Rest des Tages treu. Nach links abbiegend folgten wir ihm über die Krete nach Südwesten. Fürs erste fiel er mit dem Grenzweg zusammen. Der erwies sich zunächst als recht widerborstig: Über ungleich grosse Steinbrocken und Wurzeln arbeitete man sich in wechselndem Auf und Ab von Grenzstein zu Grenzstein vor. Irgendwo – es musste in der Nähe desjenigen mit der Nummer 21 sein – stiess die Wasserscheide wieder zu uns, um uns für eine Weile zu begleiten. Nach etwa 40 Minuten durch Wald und einem kurzen Steilstück standen wir neben der Sendeanlage und der Skilift-Bergstation des Meix Musy, mit fast 1300 Metern der höchste Punkt des Tages. Die – wenn auch nur nach Norden hin freie – Aussicht war guter Lohn für die Kraxelei: Durch die Skischneise hinab blickten wir auf den leeren Parkplatz der Talstation, über diesen hinweg ins noch tiefer gelegene Doubs-Tal mit den Städtchen Villiers-le-Lac und Morteau hinunter und über die sich dahinter stufenweise absenkenden und in der Ferne verlierenden Plateaus der Freigrafschaft hinaus.

Hochtal von La Brévine bei Cerneux-Péquignot.
Hochtal von La Brévine bei Cerneux-Péquignot.

Nach dem Gipfel zeigte sich der «Sentier» wesentlich bequemer, es war nun ein gepflegter, von einer bemoosten Trockensteinmauer gesäumter Waldweg. Die Krete senkte sich zusehends ab und wurde flacher, und als wir auf der Höhe des Gehöfts von Bas-des-Roussottes aus dem Wald heraus traten, sahen wir uns nur noch unwesentlich über das Hochtal von La Brévine erhöht, das sich zur Linken vor uns ausbreitete. An die Kretenwanderung schloss sich nun ein Stück Jura-Hochfläche mit dem typischen Wechselspiel von Waldstücken und ausgedehnten Grasteppichen mit einzelnen Fichten, Höfen, Trockensteinmauern und weidenden Kühen und Pferden an. Die Wasserscheide hatte sich inzwischen nach rechts gewandt, um einen Bogen nach Nordwesten zu beschreiben. Wir befanden uns wieder einmal in einem abflusslosen, nur unterirdisch entwässernden Teil des Rhein-Gebietes, gelangten aber unmerklich auf französisches Territorium. Beim Hof Le Gardot stiessen wir mit einer T-Kreuzung auf die Departementsstrasse D48, wo ein grosser, leerer Parkplatz von winterlicher Betriebsamkeit zeugte: Es war ein Ausgangspunkt für Skilanglaufrouten.

Billardtisch als Rastplatz

Vion Billard. Hinten der Meix Musy.
Vion Billard. Hinten der Meix Musy.

Nach einem kurzen Stück auf der D48 schwenkte der Fernwanderweg auf ein kleineres Strässchen ein, das westwärts von ihr abzweigte und sich in sanften Kurven über die Wytweiden dahinschwang. In einem Waldstück wechselten wir, erneut ohne es zu bemerken, wieder auf die Doubs-Rhone-Seite der Wasserscheide. Direkt dahinter führte ein Wiesenpfad einer schnurgeraden, von einer Hecke gesäumten Trockensteinmauer entlang und in leichtem Anstieg zum nächsten Waldrand hinauf. Dort endete die Hochebene abrupt. Auf einem leicht erhöhten Teil des als «Vion Billard» bezeichneten Plateaus legten wir uns ins Gras und nahmen die Stimmung auf. Vor uns sahen wir auf die nackten Kalksteinflühe der senkrecht abfallenden Abbruchkante, in die ihr zu Füssen liegenden Doubs-Nebentäler und in die Weite der Freigrafschaft. Über das offene, grüne Plateau selber – es hatte durchaus etwas von einem überdimensionierten Billardtisch – glitt der Blick zurück zum Meix Musy, während er im fernen Süden den Felszacken des Chasseron über den Kronen der Wälder erkannte. Obwohl ab und zu eine Motorsäge aufheulte – aus der Tiefe heraufgesendete Grüsse der Forstwirtschaft – , strahlte der Ort Stille aus; ausser einzelnen Vögeln und herumschwirrenden Brummfliegen war sonst nichts zu hören.

Übernachten in Abgeschiedenheit

Das Tagesziel in Sicht: Auberge Vieux-Châteleu.
Das Tagesziel in Sicht: Auberge Vieux-Châteleu.

Beim Weitergehen passierten wir ein mächtiges Betonkreuz, das an der Abbruchkante stand und durch eine Waldlücke hindurch direkt auf die Kirche von Derrière le Mont hinuntersah; das Dorf lag dort unter den Flühen in der Nachmittagssonne. Dann wich der GR5 wieder vom Rand des Plateaus zurück und führte uns am Weiler Les Cernoniers und einer hübschen kleinen Waldkapelle vorbei – und insgeheim erneut über die EHWS – in eine zwischen zwei Längsfalten ansteigende Mulde hinein. Auf einem Teersträsschen erreichten wir deren Scheitelpunkt, einen Sattel, der die zwei Falten – beide hiessen sie «Châteleu» – miteinander verband. Ebendort – und praktisch auf der EHWS – befand sich unser Tagesziel, die Auberge Vieux Châteleu. Ein typisches Jura-Bauernhaus, das Wohnung und Betrieb unter einem breiten Giebeldach vereinigte und heute als agrotouristische Herberge diente.

Dank der frühen Ankunftszeit – es war gerade vier Uhr – konnten wir noch lange vor dem Haus sitzen und neben weidenden Pferden die Herbstabendstimmung geniessen, die durch das zusehends flacher werdende, die Mulde genau der Länge nach durchflutende Sonnenlicht erzeugt wurde. Bis zum Chasseral-Turm konnten wir in der Richtung unserer Herkunft zurückblicken; doch selber versteckte sich der Ort zwischen Hügelkämmen und Wäldern vor der Welt. Eine Abgeschiedenheit, die sich wohl auch der Widerstandskämpfer und Agent Michel Hollard zunutze gemacht hatte, der im Zweiten Weltkrieg von hier aus heimlich die Grenze überquerte, um die britische Botschaft in Bern mit Informationen zu versorgen: Eine Gedenktafel an der Hausmauer erinnerte daran.

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